Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege Vollzug des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) Maßnahmen anlässlich der Corona-Pandemie

Cäcilia Tremmel-WiringerSchuljahr 2019/2020

Vollzug des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) Maßnahmen anlässlich der Corona-Pandemie

Bekanntmachung
des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 13.03.2020, Az. G51-G8000-2020/122-65

Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege erlässt im Ein- vernehmen mit dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus, dem Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales und dem Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf der Grundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) in Verbindung mit § 65 Satz 2 Nr. 2 der Zuständigkeitsverordnung (ZustV) fol- gende

Allgemeinverfügung: 1. Bis einschließlich 19. April 2020 gilt:

  1. 1.1  An allen Schulen Bayerns entfallen der Unterricht und die sonstigen Schulveranstaltungen.
  2. 1.2  An allen schulvorbereitenden Einrichtungen, Kindertageseinrichtungen, Kindertagespflegestellen und Heilpädagogischen Tagesstätten entfallen die regulären Betreuungsangebote.
  3. 1.3  Am Staatsinstitut für die Ausbildung von Fachlehrern und am Staatsinsti- tut für die Ausbildung von Förderlehrern ist der Lehr- und Studienbetrieb eingestellt.
  4. 1.4  Schülerinnen und Schüler, Kinder und Studierende dürfen die betreffen- den Einrichtungen für die oben genannte Zwecke einschließlich der Mit- tagsbetreuung nicht betreten.

2. Ausgenommen vom Verbot nach Nrn. 1.1 und 1.4 sind Schülerinnen und Schüler,

  1. 2.1  die an Förderschulen in Heimeinrichtungen der Eingliederungshilfe ganz- jährig stationär versorgt werden, soweit nicht das Gesundheitsamt auf Antrag der Schulleitung in Abstimmung mit dem Schulträger und ggf. der Heimaufsicht die ganze oder teilweise Einstellung des Schulbetriebs an- geordnet hat,
  2. 2.2  für welche auf Antrag des Schulträgers das Gesundheitsamt in Abstim- mung mit der zuständigen Regierung und ggf. der Heimaufsicht an För- derschulen mit überwiegend schwer- und mehrfachbehinderten Schüle-
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rinnen und Schülern, die mit Einrichtungen der Eingliederungshilfe ver- zahnt sind, die Aufrechterhaltung des Schulbetriebs für schwer- und mehrfachbehinderten Schülerinnen und Schüler zugelassen hat,

2.3 an Schulen für Kranke nach Art. 6 Abs. 2 Nr. 4 BayEUG, soweit nicht das Ge- sundheitsamt auf Antrag der Schulleitung in Abstimmung mit dem Schulträger und der Klinikleitung die ganze oder teilweise Einstellung des Schulbetriebs an- geordnet hat.

3. Zu Betreuungszwecken soll die Schulleitung, die jeweils zuständige Schulauf- sichtsbehörde oder der Träger der jeweiligen Einrichtung

  • –  für Schülerinnen und Schülero der Jahrgangsstufen 1 bis 4 an Grundschulen und der Grundschulstufe von Förderschulen,o der Jahrgangstufen 5 und 6 an weiterführenden Schulen und den entspre- chenden Förderschulen sowie
  • –  für Kinder, die eine schulvorbereitende Einrichtung, eine Kindertageseinrich- tung, Kindertagespflegestelle oder Heilpädagogische Tagesstätte besuchen,ein Betreuungsangebot in den unter Nr. 1 genannten Schulen und Einrichtungen zur Verfügung stellen, soweit und solange
  • –  beide Erziehungsberechtigte, im Fall von Alleinerziehenden der oder die Al- leinerziehende des Kindes in Bereichen der kritischen Infrastruktur tätig und aufgrund dienstlicher oder betrieblicher Notwendigkeiten an einer Betreuung ihrer Kinder gehindert sind und
  • –  die Kinder
    o keine Krankheitssymptome aufweisen,

o nicht in Kontakt zu einer infizierten Person stehen oder seit dem Kontakt mit

einer infizierten Person 14 Tage vergangen sind und sie keine Krankheits-

symptome aufweisen,
o sich nicht in einem Gebiet aufgehalten haben, das durch das Robert Koch-

Institut (RKI) im Zeitpunkt des Aufenthalts als Risikogebiet ausgewiesen war oder innerhalb von 14 Tagen danach als solches ausgewiesen worden ist (tagesaktuell abrufbar im Internet unter https://www.rki.de/DE/Content/In- fAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogebiete.html), oder seit ihrer Rückkehr aus diesem Risikogebiet 14 Tage vergangen sind und sie keine Krankheits- symptome zeigen.

  1. Die Personensorgeberechtigten haben für die Beachtung der in Nrn. 1 und 3 ge- nannten Voraussetzungen und der sich hieraus ergebenden Pflichten zu sorgen.
  2. Auf die Bußgeldvorschrift des § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG sowie auf die Strafvor- schrift des § 74 IfSG wird hingewiesen.
  3. Diese Allgemeinverfügung tritt am 16. März 2020 in Kraft. Die Allgemeinverfü- gung vom 6. März 2020, Az. 51f-G8000-2020/122-35, tritt mit Ablauf des
    15. März 2020 außer Kraft.

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Begründung:

Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutz- maßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 IfSG genannten, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt wer- den oder sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Aus- scheider war, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist.

Bei SARS-CoV-2 handelt es sich um einen Krankheitserreger im Sinn des § 2 Nr. 1 IfSG, der sich in Bayern derzeit stark verbreitet. In allen Regierungsbezirken wurden bereits Krankheits- und Ansteckungsverdächtige festgestellt.

Nach bisherigem Sachstand sind immer mehr Schulen und Gemeinschaftseinrichtun- gen für Vorschulkinder in Bayern von der Krankheit COVID-19 betroffen. In den Schulen und Gemeinschaftseinrichtungen besteht erhebliche Ansteckungsgefahr und die Gefahr der Fortsetzung entsprechender Infektionsketten.

Wenn bereits Infektionsketten in Schulen, Kindertageseinrichtungen, Kindertages- pflegestellen oder Heilpädagogischen Tagesstätten bestehen, ist eine Ausbreitung dort nur noch schwer einzudämmen, ohne eine Schließung der betroffenen Einrich- tung vorzunehmen.

Da nach der derzeitigen Datenlage von einem weiteren Anstieg der COVID-19 Fälle in Bayern auszugehen ist und die weitere geographische Ausbreitung wahrscheinlich wird, ist davon auszugehen, dass immer mehr Schulen, Kindertageseinrichtungen, Kindertagespflegestellen oder Heilpädagogische Tagesstätten betroffen sein werden.

Nach den bisherigen Erkenntnissen erkranken Kinder nicht schwer an COVID-19. Sie können aber ebenso wie Erwachsene, wahrscheinlich auch ohne Symptome zu zei- gen, Überträger von SARS-CoV-2 sein.

Das Einhalten einer disziplinierten Hygieneetikette ist abhängig vom Alter und der Möglichkeit zur Übernahme von (Eigen-)Verantwortung und bedarf daher bei Kindern noch einer entwicklungsangemessenen Unterstützung durch Erwachsene. Diese Un- terstützung kann in den Einrichtungen mit einer Vielzahl an betreuten Kindern seitens der Aufsichtspersonen nicht immer ununterbrochen sichergestellt werden. Vielmehr

sehen die Räume in den Einrichtungen in aller Regel Rückzugsmöglichkeiten vor. 3

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Daher kann schon räumlich eine lückenlose Überwachung nicht immer gewährleistet werden.

Damit ist die Gefahr, dass sich Infektionen innerhalb von Schulen, Kindertagesein- richtungen, Kindertagespflegestellen oder Heilpädagogischen Tagesstätten ausbrei- ten, besonders hoch. Somit ist zu erwarten, dass immer mehr Kinder Überträger von SARS-CoV-2 sein werden. Durch die infizierten Kinder erfolgt ein entsprechender Eintrag in die Familien und andere Lebensbereiche. Auf diesem Wege erfolgt sowohl ein weiterer Infektionsdruck auf die mittlere Altersgruppe (Erwerbstätige) als auch auf die vulnerablen, höheren Altersgruppen. Letztere gilt es nach dem derzeitigen Er- kenntnisstand besonders zu schützen.

Aus den oben genannten Gründen ist zur Verlangsamung des Infektionsgeschehens in Bayern und zum Schutz vulnerabler Gruppen eine generelle Schließung der unter Nr. 1 dieser Anordnung genannten Einrichtungen bis zum 19. April 2020 (Ende der Osterferien) fachlich geboten. Dadurch werden infektionsrelevante Kontakte für ins- gesamt fünf Wochen unterbunden. Es soll erreicht werden, dass sich die Ausbreitung von COVID-19 verlangsamt. Durch eine Verzögerung der Ausbreitung kann zusätz- lich eine stärkere Entkopplung von der Influenzawelle erreicht werden. Somit können die zu erwartenden schweren Erkrankungsfälle in der Bevölkerung über einen länge- ren Zeitraum verteilt und Versorgungsengpässe in den Krankenhäusern vermieden werden. Auch insofern dient die vorliegende Maßnahme dem Gesundheitsschutz.

Aus den genannten Gründen ist nach Abwägung aller relevanten Umstände die vor- liegende, zeitlich befristete Anordnung verhältnismäßig und gerechtfertigt, um dem vorrangigen Gesundheitsschutz der Bevölkerung (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz) Rechnung zu tragen. Die Rechte und Interessen der Kinder und Jugendlichen, der Eltern und des Personals der Einrichtungen treten demgegenüber zurück. Die geän- derten tatsächlichen Verhältnisse machen diese Allgemeinverfügung erforderlich.

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Zu Nr. 1: Zu Nr. 1.1:

Nach Nr. 1.1 entfallen an allen Schulen Bayerns der Unterricht und die sonstigen Schulveranstaltungen. Schülerinnen und Schüler sind von der persönlichen Anwe- senheit am Unterricht und an jeglichen sonstigen schulischen Veranstaltungen be- freit. Die Schulen können den Schülerinnen und Schülern digitale Angebote zur Ver- fügung stellen, um so den ausgefallenen Präsenzunterricht in gewissem Umfang zu kompensieren. Die genaueren Vorgaben wurden den Schulen durch das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus mit Schreiben vom 12.03.2020 übermit- telt.

Nutzungen des Schulvermögens (insbesondere des Schulgebäudes) für schulfremde Zwecke (Art. 14 Abs. 3 Bayerisches Schulfinanzierungsgesetz) sind von dieser Re- gelung nicht betroffen. Hierüber entscheidet der zuständige Aufwandsträger. Zuläs- sig ist daher auch die Nutzung des Schulgebäudes im Rahmen der Schuleinschrei- bungen an Grundschulen.

Die Lehrkräfte befinden sich weiterhin im Dienst. Gleiches gilt für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Schulverwaltung.

Zu Nr. 1.2:

Die Übertragungsgefahr in Kindertageseinrichtungen ist besonders hoch. Die obigen Ausführungen zum Infektionsrisiko gelten entsprechend. Diese Übertragungsgefahr betrifft die Kindertagespflege auch für den Fall, dass nur ein Kind betreut wird. Die Personensorgeberechtigten dürfen die betreffenden Kinder nicht in die Einrichtungen bringen und das Recht auf Betreuung gegenüber dem Träger oder der Tagespflege- person geltend machen. Der Rechtsanspruch auf Betreuung nach § 24 SGB VIII ist insoweit eingeschränkt.

Zu Nr. 1.3:

Auch am Staatsinstitut für die Ausbildung von Fachlehrern und am Staatsinstitut für die Ausbildung von Förderlehrern wird der Lehr- und Studienbetrieb eingestellt.

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Zu Nr. 1.4:

Schülerinnen und Schüler, Kinder und Studierende dürfen die betreffenden Einrich- tungen für die oben genannte Zwecke einschließlich der Mittagsbetreuung nicht be- treten. Dies flankiert die Anordnung der Nrn. 1.1 bis 1.3.

Zu Nr. 2:

Aufgrund der besonderen behinderungsbedingten Bedarfe von Schülerinnen und Schülern mit schweren und mehrfachen Behinderungen sowie schulartspezifischen Besonderheiten insbesondere in der Schule für Kranke gelten für die hier genannten Schularten von Nr. 1 abweichende Vorgaben.

Zu Nr. 3:

Die Einrichtung der Betreuungsangebote ist erforderlich, um in Bereichen der kriti- schen Infrastruktur die Arbeitsfähigkeit der Erziehungsberechtigten, die sich andern- falls um die Betreuung ihrer Kinder kümmern müssten, aufrecht zu erhalten. Zu den Bereichen der kritischen Infrastruktur im Sinn dieser Allgemeinverfügung zählen ins- besondere alle Einrichtungen, die der Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung und der Pflege sowie der Behindertenhilfe, Kinder- und Jugendhilfe, der öffentlichen Sicherheit und Ordnung einschließlich der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr (Feuer- wehr, Rettungsdienst und Katastrophenschutz), der Sicherstellung der öffentlichen Infrastrukturen (Telekommunikationsdienste, Energie, Wasser, ÖPNV, Entsorgung), der Lebensmittelversorgung und der Handlungsfähigkeit zentraler Stellen von Staat, Justiz und Verwaltung dienen. Durch diese Maßnahme wird das Ziel der Allgemein- verfügung – Eindämmung der Ausbreitung des COVID-19 – nicht konterkariert. Denn durch die strengen Einschränkungen werden deutlich weniger Schülerinnen und Schüler an die Schulen und Kinder in Kindertageseinrichtungen, Kindertagespflege- stellen oder Heilpädagogische Tagesstätten kommen. Somit ist die Einhaltung von Hygienevorschriften sowie Vorsichtsmaßnahmen deutlich erleichtert.

Die Betreuung an den Schulen erfolgt im Rahmen der regulären Unterrichtszeit, Mit- tagsbetreuung und Ganztagsangebote sind zu nutzen.

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Zu Nr. 4:

Die Personensorgeberechtigten dürfen die betreffenden Kinder nicht in die Einrich- tungen bringen und das Recht auf Betreuung gegenüber dem Träger oder der Ta- gespflegeperson geltend machen. Sie haben die sich aus Nr. 1 ergebenden Pflichten zu beachten. Der Rechtsanspruch auf Betreuung nach § 24 SGB VIII ist insoweit ein- geschränkt.

Zu Nr. 5:

Die Bußgeldbewehrung der Maßnahme folgt aus § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG. Zuwider- handlungen können nach § 74 IfSG strafbar sein. Die Anordnung stellt eine Maß- nahme nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG dar.

Zu Nr. 6:

Die Anordnung tritt am 16. März 2020 in Kraft. Die Anordnung ist gemäß § 28 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 IfSG sofort vollziehbar. Die Allgemeinverfügung vom 6. März 2020, Az. 51f-G8000-2020/122-35, tritt mit Ablauf des 15. März 2020 außer Kraft.

Ruth Nowak Ministerialdirektorin

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